Samstag, 23. Januar 2010

Wochenende in Jerusalem

Mein gestriger Arbeitstag bestand wieder aus der Restauration des Gemäldes an der Bäckerei. Nach ein paar Motivationsproblemen hab ich mir dann doch von Katha die Handynummern von Rebi und Matthias (erklär ich gleich noch) geben lassen und mich um 2 mit dem Bus auf dem Weg nach Jerusalem gemacht. Von der Central Bus Station bin ich nach einigen Verwirrungen und Hilfeanruf an Katha (wo fahren gleich nochmal die Busse in die Stadt ab???) mit dem Bus Nr. 20 zum Jaffa Tor gefahren. Ich wette, mein Busfahrer hatte indianische Vorfahren, er sah genau so aus wie die Indianer im Film! Und freundlicher Weise hat er mir gesagt, wann ich aussteigen muss, ich muss wohl etwas verloren gewirkt haben :D Ohne mich zu verlaufen (!) hab ich mich dann zur Erlöserkirche gefunden und Rebi angerufen. Mit ihr sollte ich mich, auf Vorschlag von Katha, treffen und mit ihr nach Beit Jala fahren. Da sie noch eine Weile zu tun hatte, hab ich erstmal mein Zeug bei ihr abgestellt und bin nochmal in die Altstadt gegangen. Weit bin ich allerdings nicht gekommen. Ganz gegen meine Abneigung gegen touristisch überfüllte Orte bin ich in die Grabeskirche gegangen, die nur wenige Meter weg von der Erlöserkirche ist. Langsam bin ich durch den dunklen, verwinkelten, kitschüberfüllten Raum gegangen. Es waren weniger Leute da, als ich vermutet hab. Man fühlt sich nahezu erdrückt von den unzähligen, metallenen Lampen, die von den Decken baumeln, den Bildern, dem Kitsch, den verschiedenen Betstellen der verschiedenen Religionen und den vielen frommen und superfrommen Menschen die so wirken, als würden sie einen Wettbewerb verfolgen, wer wohl am längsten beten, wer am längsten Jesus´ angebliche Grabstelle küssen kann. Ein Stückchen weiter fing plötzlich laut und fast wie zu Hause klingend eine Orgel an zu spielen. Ich nehme an, es war eine katholische Messe. Der Pfarrer kam kurz raus, verteilte etwas Weihrauch, strahlte mich breit an, als er mich neben der weit geöffneten Flügeltür stehen sah und ging wieder rein. Ich habe mich dann vor den Raum gesetzt, in dem der Gottesdienst abgehalten wurde und andächtig der Orgel gelauscht. Der Kantor hat sehr schön gespielt... Zum Ende des Gottesdienstes kam nebenan aus der Grabgrotte eine Gruppe schwarz gekleideter Männer, die laut und mehrstimmig gesungen haben. So viel Religion auf einmal! Ich bin dann noch eine Runde durch die Kirche gedreht und wieder zur Erlöserkirche gegangen, wo ich schonmal mit meinen Hausaufgaben angefangen habe, bis Rebi fertig war und wir los konnten.
Vor dem Damaskustor haben wir noch Rahel eingesammelt. Sie spielt Bratsche und ist Volontärin in einem Altenheim in Petach Tikwah. Rebi spielt Cello und volontiert in der Erlöserkirche. Zusammen sind wir zu einer etwas abgelegenen Bushaltestelle gegangen, in den arabischen Bus gestiegen und haben noch eine gute halbe Stunde warten müssen, bis es endlich losging. Dann sind wir nach Beit Jala gefahren. Dort sind in einer deutsche Auslandsschule 10 deutsch Volontäre von denen einer der am Anfang genannte Matthias ist. Soweit ich das richtig mitbekommen habe, organisiert er die ganze Aktion mit dem Brandenburgischen Konzert. Es soll am 11.6. zur Verabschiedung des Schuldirektors der Schule, die übrigens Talitha Kumi heißt, gespielt werden. Vermutlich kommen noch ein paar andere Stücke dazu. Den ersten Eindruck den ich von dem großen Schulgelände hatte, war, dass es die ganze Zeit vom Tor bis zum Eingang ins Gebäude steil bergauf ging. Nachdem wir unsere Sachen abgelegt haben, sind wir in einen der Musikräume gegangen und haben mit Proben angefangen. Leider waren nur 6 Leute von mindestens 10 da. Der Schuldirektor spielt den Bass, eine der anderen Volos der Schule, Lisa, spielt Bratsche und Matthias Geige. Trotzdem hatten wir eine ganz nette Probe. Zwei Schülerinnen haben zugehört und mit uns danach noch "Eine kleine Nachtmusik" und "Pizzicato Polka" gespielt.
Vielleicht sollte ich mal kurz die Schule erklären: wie gesagt handelt es sich um eine deutsche Auslandsschule. Es ist eine Privatschule in der 30 Mädchen in einem angeschlossenen Internat wohnen. Vom Kindergarten bis zum Abitur ist alles eingeschlossen. Mit der ersten Klasse fangen die Kinder mit Arabisch und Englisch an, in der zweiten Klasse kommt Deutsch hinzu. Manche nehmen am DIAP teil, dass heißt, sie machen neben dem hiesigen Abschluss auch noch ein deutsches Abitur. Viele lernen ein Instrument und werden zum Teil von drei der Volos (Matthias, Lisa und Lucas (Trompete)) unterrichtet.
Abends sind wir noch in einer Art Shisha-Bar-Restaurant gewesen und haben Calzone gegessen. Rahel, Matthias und ich sind allerdings bald wieder mit dem Taxi zurückgefahren weil wir zu müde waren. Mit dem Taxi deshalb, weil der Weg von der Schule zu der Bar zum einen sehr lang war, zum anderen die ganze Zeit ausnahmslos steil bergab ging. Sehr bald habe ich dann auch selig geschlafen :)

Heute morgen sind wir kurz vor neun im angeschlossenen Gästehaus frühstücken gewesen. Danach kam bald Matthias, der schon am frühen Morgen nach Jerusalem gefahren war mit Rebi (sie musste zurück, weil sie arbeiten musste) und er hat eine Freundin abgeholt (ich konnte mir ihren Namen einfach nicht merken). Sie ist Israelin und hat sich nicht alleine mit dem arabischen Bus zu fahren getraut. Dann hat er uns (der Freundin, Rahel und mir) die Schule gezeigt. Rahel und ich sind noch eine ganze Weile auf dem Dach sitzen geblieben und haben die Sonne genossen. Später haben uns die anderen beiden wieder eingesammelt und es ging ab in den Physikunterricht 8. Klasse, Thema Druckpumpe. Auf Deutsch. Ich war echt fasziniert wie die ganzen Schüler die ganzen komischen Vokabeln in der Fremdsprache kapiert haben. Der Lehrer hatte allerdings auch seine liebe Mühe mit dem Chaoshaufen. Die Kinder waren alle sehr höflich zu uns, ein Mädchen hat mir sogar ihr Arbeitsblatt geliehen und mit ihrer Nachbarin in eins geguckt, damit ich auch dem Unterricht folgen konnte. Auf ihrem Block stand "HOLY LAND College Notebook". Wie lange hab ich schon kein Physik mehr gehabt (nach der 10. abgewählt)! Es war ungewohnt, alles in Englisch, Arabisch und manchmal Deutsch um mich zu haben. Die arabischen Schriftzeichen kommen mir immer noch mehr wie Ornamente vor als wie etwas, das man tatsächlich lesen kann.
Später haben Rahel, die Freundin und ich im Wohnzimmer gechillt, während Matthias gearbeitet hat. Gegen eins ist Rahel aufgebrochen, die Freundin, Matthias und ich sind um 3 mit dem Bus wieder in israelisches Staatsgebiet gefahren und ein bisschen durch die Stadt gelaufen auf der Suche nach Essen. Bei Chilli-Pizzeria haben wir dann Pizza gegessen (ich fand sie auch echt ziemlich chilli...), beim Aromacafé ein paar Meter weiter hab ich mir auch noch einen Brownie gegönnt :) Dann sind wir mit Matthias wieder bis zu seiner Haltestelle gelaufen und nachdem er in den Bus zurück gestiegen ist, haben wir uns irgendwo neben der Jaffastreet auf eine Bank gesetzt und gequatscht bis Shabatende. Dann sind wir zur Central Bus Station gelaufen, sie hat mir noch gezeigt, wo die Plattform ist, von der ich abfahren muss und ist dann selber zu ihrem Bus gelaufen. Ein voll liebes Mädchen, sehr klein und zierlich, mit einem unglaublich krausen Lockenkopf :)
Nachdem ich auf der Busfahrt gegen den Schlaf gekämpft hab, bin ich nun wieder im Volohaus und werde jetzt auf kürzestem Weg ins Bett gehen... Tut mir Leid, wenn es ein bisschen chaotisch geworden ist, ich kann die vielen Eindrücke der letzten anderthalb Tage kaum mehr zusammenfassen und aufschreiben. Also denn gute Nacht.

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